Kritiker halten sie für ungerecht und überflüssig: Nun zweifelt ein Anwalt auch die Rechtmäßigkeit der Hundesteuer an. Er hat Klage vor dem Europäischen Gerichtshof eingereicht – und gute Argumente auf seiner Seite.
Für Hundebesitzer ist das eigene Tier ein treuer Weggefährte, dem es an nichts fehlen soll. Doch in Deutschland einen Hund zu halten, ist heute purer Luxus. Rund 5,4 Millionen Hunde leben nach Angaben des Verbands des Deutschen Hundewesens (VDH) in deutschen Haushalten. An ihnen verdient der Staat prächtig. Das Mittel dazu: die Hundesteuer.
Der Staat macht sich zu Nutze, dass einem Hundeliebhaber für seinen vierbeinigen Freund nichts zu teuer ist. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes beläuft sich das jährliche Hundesteuer-Aufkommen auf 275,2 Millionen Euro. Die Steuer treibt Kritiker auf die Barrikaden. Rechtsanwalt Elmar Vitt aus Salzhausen in Niedersachen hat über 81 000 Unterschriften gegen die Hundesteuer gesammelt – und eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingereicht. Als Besitzer des Yorkshire Terriers „Sir Monti“ fühlt sich Vitt durch die hohe Hundesteuer in seiner Stadt diskriminiert.
Der Anwalt betrachtet die Steuer als Eingriff in seine Privatsphäre. „Viele Menschen können sich die Steuer nicht leisten und müssen ihren Hund abgeben oder umziehen“, sagt Vitt. Da er alle paar Wochen in Süddeutschland Fälle bearbeitet, hat er auch dort recherchiert und festgestellt, dass Bayern zu den Spitzenreitern in Sachen Hundesteuer gehört. Im Großraum München ist Herrsching am Ammersee nach seinen Recherchen die teuerste Kommune.
Auch VDH-Sprecher Udo Kopernik wettert gegen die Hundesteuer: „Es ist eine große Ungerechtigkeit, dass Hunde einer Steuer unterliegen und andere Haustiere nicht.“ Der VDH, der Deutsche Tierschutzbund, die Zeitschrift „Dogs“ und der Verein Tasso unterstützen deshalb Vitts Klage mit der Initiative „Stoppt die Hundesteuer“.
Willkürliche Abgabe
Noch wütender macht Hundebesitzer die Willkür, mit der Städte und Gemeinden scheinbar wahllos völlig unterschiedliche Hundesteuersätze festlegen. Die Bandbreite reicht von 90 Euro pro Jahr in Frankfurt am Main bis 156 Euro in Essen und Köln. Der zweite und jeder weitere Hund ist meist noch teurer. In einigen Städten kann er nahezu das Doppelte kosten. Wenn der Hund als Kampfhund gelistet ist, wird‘s noch teurer. Als gefährlich eingestuft werden beispielsweise Pitbulls und American Staffordshire Terrier. Welche Rassen als Kampfhunde gelten, variiert ebenfalls von Ort zu Ort. Diese so genannten Listenhunde können in Städten wie Nürnberg schon mal bis zu 1056 Euro im Jahr kosten.
Nur ganz wenige Hundehalter kommen um die Steuer herum: In Sonderfällen – wie bei geringem Einkommen oder der Haltung eines Blindenhundes – ist eine Befreiung möglich.
Hundesteuersätze in 20 deutschen Städten:
Hundesteuersätze in den 20 größten deutschen Städten
Höhe der Hundesteuer | Bemessung der Hundesteuer | |
Berlin | 1. Hund kostet 120 Euro; 2. Hund kostet 300 Euro; 3. und weitere Hunde 180 Euro (variiert nach Bezirk) | Kampfhunde kosten 120 Euro. Sie müssen beim Veterinäramt vorgestellt werden und benötigen Unbedenklichkeitserklärung |
Bielefeld | 1. Hund kostet 120 Euro; 2. Hund kostet 132 Euro; 3. und weitere 144 Euro | Kampfhunde werden nicht extra besteuert, müssen aber Auflagen des Ordnungsamtes erfüllen |
Bochum | 1. Hund kostet 144 Euro; 2. Hund und jeder weitere 168 Euro | Kampfhunde müssen beim Ordnungsamt angemeldet sein und Auflagen (Verhaltenstest) erfüllen |
Bonn | 1. Hund kostet 150 Euro; 2. Hund kostet 192 Euro; 3. und jeder weitere 240 Euro (Ermäßigung bei geringem Einkommen: 24 Euro) | 1. Kampfhund kostet 780 Euro; 2. Kampfhund kostet 1020 Euro |
Bremen | Pro Hund 122,64 Euro (keine Staffelung) | Kampfhund kostet dasselbe. Muss aber beim Stadtamt angemeldet werden |
Chemnitz | 1. Hund kostet 100 Euro; 2. Hund 135 Euro; 3. und weitere 165 Euro | Gefährliche Hunde kosten 750 Euro |
Dortmund | 1. Hund kostet 144 Euro; 2. Hund 192 Euro; 3. Hund 216 Euro | 1. Kampfhunde ohne Verhaltenstest 432 Euro; 2. Kampfhunde mit Verhaltenstest 288 Euro |
Dresden | 1. Hund kostet 108 Euro; 2. oder jeder weitere 144 Euro | Keine Unterschiede zu „normalen“ Hunden |
Duisburg | 1. Hund kostet 132 Euro; 2. Hund 168 Euro; 3. Hund 192 Euro | Keine Kampfhundesteuer |
Düsseldorf | 1. Hund kostet 96 Euro; 2. Hund 150 Euro; 3. Hund 180 Euro | 1. Kampfhund kostet 600 Euro; 2. und jeder weitere kosten 900 Euro |
Essen | 1. Hund kostet 156 Euro; 2. Hund 216 Euro; 3. und weitere 252 Euro; 4. Mit geringem Einkommen 39 Euro; 5. Blindenhunde befreit | 1. Kampfhunde ohne Führungszeugnis 852 Euro; 2. Kampfhunde mit Führungszeugnis 288 Euro |
Frankfurt am Main | 1. Hund kostet 90 Euro; 2. weitere 180 Euro | 1. Kampfhunde kosten 900 Euro; dauerhaft gefährlich Hunde werden nach Wesenstest, Sachkundeprüfung und Begleithundeprüfung mit 225 Euro bemessen. Gefährliche Hunde sind: 1. Pitbull-Terrier oder American Pitbull Terrier 2. American Staffordshire-Terrier oder Staffordshire Terrier 3. Staffordshire Bullterrier 4. Bullterrier 5. American Bulldog 6. Dogo Argentino 7. Kangal (Karabash) 8. Kaukasischer Owtscharka 9. Rottweiler |
Hamburg | Nicht kategorisiert, als nicht gefährdet eingestuft: 90 Euro im Jahr | Kategorisiert (Kampfhund) kostet 600 Euro pro Jahr |
Hannover | 1. Hund kostet 132 Euro; 2. Hund und jeder weitere 240 Euro | Gefährliche Hunde, sowie Kreuzung (Bsp. Bullterrier mit Dackel) kostet 600 Euro Gefährliche Hunde sind: Bullterrier, Pitbull-Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier |
Köln | 156 Euro ohne Staffelung | Kampfhund identischer Steuersatz 156 Euro, Sachkundenachweis muss vorliegen |
Leipzig | 1. Hund kostet 96 Euro; 2. Hund 192 Euro | 1. Anlagehund (Kampfhund) kostet 96 Euro 2. Anlagehund 192 Euro |
München | Einheitssatz von 100 Euro (keine Staffelung) | Kampfhunde kosten 800 Euro |
Nürnberg | Einheitlicher Steuersatz von 132 Euro | Kampfhunde (Kategorie 1) kosten das achtfache des Steuersatzes: 1056 Euro. |
Stuttgart | 1. Hund kostet 108 Euro; jeder weitere das Doppelte | Listenhunde (Kampfhunde) kosten 612 Euro |
Wuppertal | 1. Hund kostet 144 Euro; 2. Hund 186 Euro; 3. jeder weitere Hund 264 Euro | Gefährliche Hunde (Kampfhund) kosten 600 Euro |
Teurer als die Straßenreinigung
Die Hundesteuerrebellen ärgert neben der Höhe der Abgabe auch die Tatsache, dass die Hundesteuer nicht einmal zweckgebunden ist. Die Einnahmen werden für alle möglichen Erfordernisse der Kommunen eingesetzt. Für das Wegräumen der Häufchen ist der Hundehalter selbst verantwortlich. Verwirrend ist auch, dass der Hundebesitz in Städten oft teurer ist als auf dem Land und sich die Sätze nicht selten innerhalb nur weniger Kilometer deutlich unterscheiden.
„Die Hundesteuer ist ein Anachronismus aus vergangenen Jahrhunderten und hat sich nur deshalb gehalten, weil sich die Städte in Finanznöten befinden“, erklärt Verbandssprecher Kopernik. Die Kosten stünden in keiner Relation mehr zum Aufwand, den Hunde verursachten. Das zeige schon die Tatsache, „dass Hundehaltung mittlerweile mehr kostet als der Winterdienst oder die Straßenreinigungen“.
Studie: Hunde fördern die Gesundheit
Manche Kritiker stellen sogar die Frage, ob Hundehaltung überhaupt mit Abgaben belastet werden sollte. Sie führen Studien an, wonach Haustiere – und speziell Hunde, die als Co-Therapeuten eingesetzt werden – gesundheitsfördernd auf den Menschen wirken. Dadurch würden dem Gesundheitssystem Milliardenausgaben erspart.
Und noch ein Argument spricht gegen die Hundesteuer: Sie ist ein sehr deutsches Phänomen. Viele Länder kennen diese Steuer gar nicht. Kopernik erinnert sich an japanische Journalisten, die sich die Steuer bei einem Besuch in Deutschland von ihm erklären ließen. „Die waren überrascht, was für ein perfektionistisches System wir da entwickelt haben“, erinnert sich der Verbandssprecher.
Ob Vitts Klage zugelassen wird, entscheidet sich in etwa einem Jahr. Setzt sich der Kläger in der anschließenden Verhandlung durch, müsste danach noch ein deutsches Gericht ein eindgültiges Urteil fällen. Alles in allem dauert es also selbst im Erfolgsfall mindestens drei Jahre , bis der Vorstoß des Hundebesitzers zu einer Änderung im deutschen Steuerrecht führen kann.
Über das laufende Verfahren informiert Rechtsanwalt Elmar Vitt auf seiner Internetseite (www.lemotions.de). Sein Yorkshire Terrier sammelt auf einer eigens eingerichteten Internet-Präsenz (www.sirmonti.de) Untertützer.